Veranstaltung: | 1. LANDESMITGLIEDERVERSAMMLUNG GRÜNE JUGEND BRANDENBURG 2018 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Antragsteller*in: | Vanessa Jordan-Heinrich, Danilo Zoschnik, Pernilla Bandick |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 16.03.2018, 22:15 |
A9: Recht auf Bildung bedingt Recht auf psychische Gesundheit!
Antragstext
“Schule ist scheiße!” denken sich viele Schüler*innen und meinen dabei nicht
Bildung ,denn eigentlich sind wir für diese dankbar, sondern den Leistungsdruck
und ein unfreundliches Schulklima, welches den Schulalltag zusätzlich erschwert.
Und es ist wahr! Danach wird es an der Universität, Fachhochschule oder in der
Ausbildung auch nicht besser.
Die Ursachen sind oft tief in den gesellschaftlichen Verhältnissen verwurzelt,
daher zweifelsohne schwierig anzugehen. Es muss aber unbedingter Anspruch sein
auch grundsätzlich eine andere Mentalität des Lernens und des Zusammens zu
vermitteln und im Rahmen des Möglichen eine spürbare Verbesserung der
Rahmenbedingungen an Schulen, Fachhochschulen und Universitäten zu erreichen.
Besonders wichtig ist es dabei jungen Menschen mit psychischen Erkrankungen und
Belastungen Hilfe anzubieten und sie zu unterstützten. Auslöser wie Stress sind
dabei zu minimieren, sodass sie das Lernen möglichst nicht erschweren. Die
praktikablen Instrumente dazu sind vielfältig und liegen auf unterschiedlichen
Ebenen verteilt. Wir sehen folgende Forderungen als besonders wichtige
Stellschrauben:
-Institutionelle Stärkung im Brandenburger Ministerium für Arbeit, Soziales,
Gesundheit, Frauen und Familie und der Interessenvertretung derjenigen, die mit
Themenbereichen der psychischen Gesundheit zu tun haben, vor allem auch um die
folgenden Vorschläge besser koordinieren und implementieren zu können.
-Druck auf die Bundesregierung verstärken die Zwei-Klassen-Medizien abzubauen
und perspektivisch aufzuheben und durch eine Bürger*innenversicherung und
Bürger*innen-Pflegeversicherung zu ersetzen. Bis dies Umgesetzt ist, muss auf
Landesebene wenigstens die Bevorteilung von Privatpatient*innen konsequent
angegangen werden.
- Verkürzung der Wartezeiten für therapeutische Behandlungen durch drastische
Erhöhung der Ausbildungskapazitäten von Fachkräften bei anhaltender Qualität der
Lehre und einer Ititiative für mehr sogenannte Kassensitze. Keine*r sollte über
2 Monate auf einen Therapietermin warten müssen.
-Ein freier, breiter und niedrigschwelliger Zugang zu Informationen in
unterschiedlichen Lebensbereichen, die je nach Alter von Bedeutung sind. Solche
Lebensbereiche können unter anderem Lernmethoden, Sexualität, Süchte und nicht
zuletzt psychischen Erkrankungen betreffen. Das Ziel ist eine Sensibilisierung
und die Schaffung eines akzeptierenden Problembewusstseins, sodass die Person
selbst oder Personen in ihrem Umfeld frühzeitig erkennen, ob Hilfestellungen
benötigt werden und dann adäquat und umgehend handeln können. Das kann etwa
durch Berücksichtigung der genannten Themen im Schulunterricht und
Unterrichtsmaterialen, bei außer- und innerschulische Veranstaltungen erfolgen.
Außerdem sollen auch Ehrziehungsberechtigte von Schüler*innen dazu verpflichtet
werden, Informationsveranstaltungen zu besuchen. Auch an den Unis und
Fachhochschulen sollten Informationsveranstaltungen angeboten werden.
- die Forderung der Kultusministerkonferenz „Beratung in Schule und Hochschule“
von 1973 endlich umsetzten und die Anzahl der Schüler*innen pro
Schulspycholog*in - von in Brandenburg aktuell 7489 - auf maximal 5000
reduzieren. Mit Blick in eine Zukunft mit bedürfnisgerechter Versorgung wollen
wir uns an Dänemark orientieren, wo ein*e Schulpsycholog*in für 10 mal weniger
Schüler*innen verantwortlich ist. Auch an Universitäten und Fachhochschulen
bedarf es mehr pschychologisches Personal und an jeder akdemischen
Bildungseinrichtung, wo die Lernenden unter besonderem Druck stehen, einem
psychologischen Dienst, der Erstberatungen anbietet und eine vermittelnde Rolle
einnehmen kann! Zusätzlich soll es mindestens 2, mit steigender Anzahl der
Schüler*innen und Studenten auch mehr, Vertrauenslehrer*innen und –dozent*innen,
wovon mindestens 50% FIT* Personen sein sollten.
- die oben genannten und weitere relevante Akteur*innen wie Lehrkräfte,
Teamer*innen und Trainer*innen, welche auch im frezeitlichen Kontext mit
Schüler*innen und Studierende in Kontakt kommen, sollen einfachere
Fotbildungsmöglichkeiten zum Umgang mit psychisch Erkrankten bekommen. Wenn
mögliche, sollte dies schon stärker während des Studiums oder der Ausbildung
stattfinden.
- besonders in ländlichen Regionen müssen mehr ambulante und stationäre
Behandlungsmöglichkeiten geschaffen werden, sodass psychisch erkrankte Kinder in
der Nähe ihrer Ehrziehungsberechtigten therapiert werden können und auch eine
Kooperation mit der dortigen Schule oder Jugendhilfe stattfinden kann.
- Langfristig sollte ein Konzept des Lernens und Lebens entwickelt werden, das
auf der Individualität aller Lernenden und ihren Interessen gründet und Raum für
Entdecken, Entwickeln, Neugier lässt. Dazu gehören idealerweise auch
demokratischere Schulstrukturen sowie Raum für Regenerierung. Dieses Konzept
soll durch das Zusammenwirken von Pädagogik und Medizin sowie Projekte an
Schulen fundiert werden.
Begründung
Jede*r von uns kennt eine psychisch erkrankte Person, ist oder war selbst davon betroffen. Das lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: 10–20 % aller Kinder und Jugendlichen weisen psychische Krankheitsbilder auf. Trotzdem werden psychische Erkrankungen in unserer Gesellschaft nicht ausreichend wahrgenommen und weniger ernst genommen als physische Erkrankungen oder Verletzungen.
Damit geht die Angst einher, stigmatisiert zu werden oder sich eine psychische Erkrankung einzugestehen.
Es wird zu viel geschwiegen und Informationen zu Versorgungsangeboten sind im zu geringen Maße vorhanden. Erziehungsberechtigte und Pädagog*innen, die psychische Erkrankungen frühzeitig erkennen könnten und entsprechend handeln, sind oft nicht sensibilisiert oder überfordert.
Nicht zu Letzt gibt es einen großen Mangel an Kassentherapeut*innen und generell Therapeut*innen in Deutschland, was sich mit einem vor Jahren beschlossenen Reglung zur Zulassungsbeschränkung begründen lässt. Deswegen müssen viele junge Menschen, vorallem Kassenpatient*innen, ein Jahr lang auf einen Termin warten, wobei selbst ein Monat auf einer Warteliste zu stehen, schon in manchen Fällen zu lang sein kann.
Die angeführten und weitere Gründe führen dazu, dass nur circa ein Drittel der akut sowie chronisch psychisch erkrankten Kinder und Jugendliche in ärztlicher Behandlung sind.
Aufmerksamkeits-, Denk- und Antriebstörungen sowie negative Stimmung beeinflussen die schulische Entwicklung. So kann es zu bis zum Schulabbrüchen kommen. Das Schulklima hat dabei eine beträchtliche Bedeutung und muss so verändert werden, dass Leistungsdruck oder schlechte Verhältnisse zwischen SuS oder LuS psychische Erkrankungen nicht begünstigen, sondern dass sich psychisch Erkrankte so wohl und unterstützt fühlen, dass sie trotz psychischer Erkrankung ihr Recht auf Bildung wahrnehmen können.
Schulen und Unis, FHs sollten sich für das Wohlergehen ihrer Schüler*innen und Studierender verantwortlich fühlen, denn dies ist der Ort, an dem sie viel Zeit verbringen und mit sozialen Herausforderungen, Leistungsdruck, Lernüberforderung und psychischer Belastung konfrontiert werden.
Seit 1948 findet sich in der Erklärung der Menschenrechte das Recht auf Wohlfahrt, welches festlegt, dass jede*r ein Recht „auf einen Lebensstandard hat, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet”. Doch das wird im Hinblick auf die psychische Gesundheit noch nicht gewährleistet. Unsere Forderungen an die Brandenburger Gesundheitspolitik sollen diesem Recht einen Schritt näher kommen.
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